Rede zum Haushalt 2024

Haushaltsrede 2024 – Bündnis 90/Die Grünen Grefrath

Lieber Herr Bürgermeister Schumeckers, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, liebe Kolleginnen und Kollegen des Rates, liebe Grefrather Bürgerinnen und Bürger, liebe Vertreterinnen und Vertreter der Presse,

unsere Demokratie steht vor ernsthaften Herausforderungen. Das zeigt das Wahlergebnis vom Sonntag. 12,5 Prozent der Grefrather*innen haben die AFD gewählt – in Oedt sogar 18 Prozent. Eine Partei, die bundesweit vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft werden darf und in Teilen als gesichert rechtsextrem gilt. Eine Partei, die keine Lösungen anbietet, sondern auf Misstrauen, Neid, Hass und Ausgrenzung setzt. Auf die vielfältigen Ursachen für dieses Wahlergebnis müssen wir auch in Grefrath eine Antwort finden.

Die Welt um uns herum verändert sich rasant! Der menschengemachte Klimawandel und seine spürbaren Auswirkungen. Zuletzt das Hochwasser im Süden Deutschlands. Kriege in Europa und im Nahen-Osten, der verschärfte gesellschaftliche Diskurs.

Als GRÜNE sind wir davon überzeugt, dass wir die genannten Herausforderungen der Zukunft nur dann meistern können, wenn wir bereit sind, notwendige Veränderung zu benennen, neue Wege zu suchen und auch zu gehen. Dafür stehen wir häufig in der Kritik – sei es wegen des Heizungsgesetzes, unserer Haltung zum Green Deal oder in Sachen Zuwanderung. All diese Themen stehen für wichtige gesellschaftliche Veränderungen. Dass dies nicht allen gefällt, zeigt das Wahlergebnis sehr deutlich.

Grefrath ist leider kein gallisches Dorf, in dem alles gut ist – auch wenn die CDU dieses Bild oft bemüht. Die großen Herausforderungen betreffen uns als Kommune aber auch jede Bürgerin und jeden Bürger.

Liebe Zuhörer*innen,
Wir stehen nach 2014 erneut vor einer finanziell schwierigen Lage und werden mit einem Minus in Millionenhöhe abschließen. Dies hat es notwendig gemacht, ein tragfähiges Haushaltssicherungskonzept aufzustellen. In vielen Gesprächen haben wir vorab Einsparpotenziale, freiwillige Leistungen und investive Maßnahmen auf Umsetzbarkeit mit Blick auf das große Defizit im Haushalt geprüft. Alle Fraktionen konnten sich hier konstruktiv einbringen. Es war allerdings schnell klar, dass es keinen Weg gab, das Defizit in notwendiger Höhe zu verringern.

Gründe für dieses Defizit sind – bei gleichbleibenden Einnahmen –  gravierend gestiegene Ausgaben zum Beispiel durch Inflation, stark gestiegene Tariflöhne, einen nicht ausreichenden finanziellen Ausgleich von Land und Bund für die Unterbringung  Geflüchteter, gestiegene Kosten im Baubereich, gestiegene Energiekosten, gestiegene Umlagen oder steigende Zinsen. Viele der von Bund und Land angekündigte Entlastungen der Kommunen wurden bis heute nicht umgesetzt.

Stillstand ist jedoch keine Lösung, um sich negativ wandelnden Bedingungen zu begegnen. Wir sind daher sehr froh, dass wir zuletzt viele wichtige Projekte für Grefrath auf den Weg gebracht haben. Exemplarisch nenne ich unser Schul- und Kitasystem in das wir auch mit diesem Haushalt investieren, wir bekommen ein neues Lehrschwimmbecken und das neu gebaute Gebäude am Reinersbach steht Geflüchteten endlich als menschenwürdige Unterkunft zur Verfügung. Die Zentren von Oedt, Mülhausen und Grefrath wurden und werden aufgewertet. Wir bauen ein neues Rathaus, weil das Alte für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung nicht mehr tragbar war. Wir werden künftig nur noch einen Standort finanzieren müssen, es wird ein offenes Haus auch für die Bürgerinnen und Bürger sein, sparsamer im Verbrauch und so weit wie möglich nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft gebaut. Es ist auf Dauer kostengünstiger im Betrieb, ökologisch und zukunftsorientiert. Die langjährigen fruchtlosen Diskussionen haben damit endlich ein Ende.

Auch die Notwendigkeit, dem Klimawandel entschiedene Maßnahmen entgegen zu setzen, hat sich in unseren Diskussionen, Konzepten und konkreten Projekten deutlich niedergeschlagen. Von der Anerkenntnis des Klimanotstandes, über unseren Beschluss zur die Klimaneutralität 2035 bis zur kommunalen Wärmeplanung und zuletzt dem Umsetzungsfahrplan für eine THG-neutrale Verwaltung. Die Gemeindewerke bauen die Ladeinfrastruktur aus, sorgen für Nahwärme aus der benachbarten Biogasanlage und haben mit der „Morgenenergie“ eine neue Gesellschaft für energienahe Dienstleistungen gegründet. Auch der erste Grefrather Nachhaltigkeitstag steht vor der Tür.

Wir sind jetzt insgesamt an einem Punkt, vieles davon war 2020 noch nicht denkbar. Das Ringen um all dies hat sich gelohnt.

Wir alle wissen jedoch, wir dürfen genau jetzt nicht nachlassen. Wir haben ein Klimaschutzkonzept, das es weiter umzusetzen gilt. Heizungen sollen auch in Grefrath zukünftig möglichst CO2 neutral sein. Wir müssen unsere Gebäude sanieren und das alles am besten mit natürlichen, ökologisch unbedenklichen Dämmstoffen und nach den Prinzipien von cradle2cradle. Auf jedem Dach soll eine PV Anlage installiert sein. Fassaden und Dächer wollen wir begrünen und für die Entsiegelung von Schottergärten werben. Wir werden uns darüber hinaus zunehmend mit dem Thema Klimafolgenanpassung beschäftigen müssen. Nicht nur mit Blick auf unsere Haushaltslage tun sich hier große Herausforderungen auf.

Wenn wir gefragt werden, welche Themen wir für Grefrath in den kommenden Jahren weiter verfolgen werden, haben wir hierauf eine klare Antwort: Wir wollen in eine ökologisch nachhaltige Zukunft investieren und Klima- und Naturschutz fördern, wir wollen in die Bildung und Betreuung unserer Kinder investieren, um sie auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. Wir wollen Menschen, die zu uns kommen und die wir brauchen, um Antworten geben zu können auf die Anforderungen des Fachkräftemangels und einer überalternden Gesellschaft, offen begegnen. Wir wollen das Grefrath für alle ein attraktiver Lebensort bleibt. Dazu brauchen wir nicht zuletzt bezahlbaren Wohnraum – für dieses Thema werden wir uns weiter stark machen – das heißt auch: keine weiteren Einfamilienhaussiedlungen auf der grünen Wiese!

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,
Jede Fraktion im Gemeinderat sollte sich fragen, welche Prioritäten sie für die Zukunft unserer Kommune setzt. Aus unserer Sicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern, Politik und Verwaltung ein Leitbild, eine Agenda für die Zukunft zu erstellen. Das Wahlergebnis zeigt: Gerade jetzt ist es wichtig die Bürgerinnen einzubinden und ihre Sorgen und Nöte zu hören.

Wir stecken auch in Grefrath mitten in einem unvermeidlichen Transformationsprozess, den wir trotz Haushaltssicherung weiterführen müssen. Das heißt aus unserer Sicht auch Gegebenes zu hinterfragen. Grefrath hat lange gut gelebt von einer Industrie, die nicht mehr da ist. Geblieben ist ein Eisstadion, ein schönes Freibad, ein Hallenbad oder die Albert-Mooren-Halle – das alles mag niemand missen. Aber es muss auch unterhalten werden. Die Frage, die wir uns ehrlicher- und verantwortungsvollerweise stellen müssen: Können wir uns all dies weiter leisten?

Das Eisstadion konnte mit Fördermitteln saniert werden und soll zur Entlastung der Gemeinde zukünftig vom Kreis mitgetragen werden. Der Unterhalt, der energieintensive Betrieb und der Kampf um die Kostendeckung werden eine Herausforderung bleiben. Das Hallenbad, wurde ebenfalls gefördert saniert und das Lehrschwimmbecken neu gebaut. Die Modernisierung der Albert-Mooren-Halle erfolgt aktuell über Mittel der Städtebauförderung. Um unser Freibad wird seit vielen Jahren gestritten, auch dieses müsste dringend modernisiert werden.

Wir brauchen daher auch eine Idee, was wir als Kommune tun können, um alle Anforderungen an Veränderungen und Bestehendem zu finanzieren, zum Beispiel in dem wir Grefrath zu einem attraktiven Standort für Unternehmen entwickeln. Die kürzlich vorgestellte Unternehmer*innen-Befragung der IHK gibt uns an dieser Stelle keine guten Noten. Hieran werden wir arbeiten müssen. Darüber hinaus sehen wir auch die Eigentümer*innen von Girmes, dem ehemaligen Natogelände oder dem Mäurersgelände in der Verantwortung, wichtige, bereits versiegelte und teils seit Jahren brachliegende Grundstücke selbst zu entwickeln oder zu verkaufen, damit die Ansiedlung neuer Unternehmen oder zusätzlicher Wohnungsbau möglich werden kann. Eine weitere Versiegelung von wichtiger landwirtschaftlicher Fläche, Wald oder Grünland wollen wir bei so viel innerörtlichem Potenzial verhindern.

Liebe Zuhörerinnen
Als der Entwurf des Haushaltes im März vorgestellt wurde, waren wir erschüttert: Jahr für Jahr ein Minus von 6 bis 7 Millionen Euro, 2034 ein Eigenkapital von minus 16 Millionen und im Haushaltssicherungskonzept keine Idee, wie wir hier wieder auf den grünen Zweig kommen.

Das war nicht zustimmungsfähig und alles andere als generationengerecht. Die Kämmerei hat seit der Einbringung im März mit Hochdruck daran gearbeitet. Es wurden weitere Ideen aus den Fraktionen aufgegriffen, um Einsparungen vorzunehmen. Die vormals sehr pessimistischen Grundannahmen wurden – wie wir finden zu Recht – etwas positiver bewertet. In anderen Positionen, wie beispielsweise bei den Sach- und Dienstleistungen konnte die Kämmerei im Abgleich mit den Ist-Zahlen der Vergangenheit deutlich niedrigere Werte als zuvor ansetzen. Nach den aktuellen Planungen werden wir ab 2034 einen ausgeglichen Haushalt haben und 2036 die Haushaltssicherung verlassen können.

Damit können wir nun einen genehmigungsfähigen Haushalt vorlegen. Das heißt aber nicht, dass wir auf weitere Einnahmen oder Entlastungen vom Bund und Land verzichten können. Im Gegenteil: Diese sind wichtiger denn je. Fehlende finanzielle Spielräume im kommunalen Haushalt beeinträchtigen die Funktionsfähigkeit politischer Vertretungen und letztlich auch unserer Demokratie, denn Wirksamkeit von Kommunalpolitik kann so nicht mehr sichtbar werden.

Auf folgende Punkte aus dem aktuellen Haushalt möchte ich noch genauer eingehen.

Für 2024 sind 15 Millionen Euro an Investitionen geplant, das ist doppelt so viel wie in den Jahren zuvor – ob diese Summe in einem Jahr tatsächlich ausgegeben werden kann? Planung, Ausschreibung, Finanzierung, all diese Dinge dauern oft entschieden länger und nicht ausgegebene Mittel müssen dann auf das jeweils nächste Jahr übertragen werden. Wir plädieren an dieser Stelle für eine realistische Planung auf das Haushaltsjahr bezogen.

Die Erhöhung der Gewerbe- und Grundsteuer tut weh. Mit Blick auf den Haushalt sind wir aber in der Verantwortung, die wenigen Stellschrauben zur Haushaltskonsolidierung zu nutzen, die wir haben, um Einnahmen zu generieren. Einnahmen, die wir dringend benötigen, um Grefrath für die Zukunft gut aufzustellen. Es kann sein, dass wir im kommenden Jahr mit Inkrafttreten der Grundsteuerreform noch einmal nachschärfen müssen, um die Belastungen für niemanden zu groß werden zu lassen. Aktuell werden im Land Berechnungen angestellt, wie sich die Grundsteuerreform voraussichtlich auf die Kommunen auswirkt. Die Ergebnisse für Grefrath liegen bis dato noch nicht vor.

Im Bereich Klimaschutz bleibt die Frage der koordinierten Umsetzung. Einen guten Schritt sind wir im letzten UKM gegangen. Unser Antrag THG-neutrale Verwaltung führt Maßnahmen auf, die die Verwaltung perspektivisch klimaneutral machen. Dass dies nach intensiver Diskussion von allen Fraktionen mitgetragen wurde, begrüßen wir sehr. Wir brauchen eine breite Allianz, um den Klimaschutz in Grefrath voranzubringen. Dabei muss uns klar sein: Die Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes kostet Geld, ist aber alternativlos. Jedes zehntel Grad mehr bedeutet Not, Elend und Tod für abertausende Menschen.

2024 sind für verschiedene Maßnahmen im Bereich Umwelt- und Klimaschutz gut 100.000 Euro eingeplant. Künftig werden wir hier weit mehr investieren müssen.

Einen Stellenanteil für Fördermittelmanagement, der sich aus unserer Sicht schnell rechnen wird, haben wir im vergangenen Jahr und jetzt erneut eingebracht und halten dies insbesondere in Zeiten der Haushaltssicherung für sinnvoll, um handlungsfähig zu bleiben.

Liebe Zuhörerinnen,
Unser Kämmerer hat in seiner Rede zur Einbringung des Haushaltes zu Recht angemahnt, dass wir uns als Politik an Themen wie Haushaltskonsolidierung und Einsparungen beteiligen sollen. Dazu müssen wir aber auch in die Lage versetzt werden. Der vorliegende Haushalt hat es uns hier mehr als schwer gemacht. Hier den Überblick zu behalten war aufwändig und sehr zeitintensiv.

In unserem Antrag zum Thema Transparenz haben wir nun einen ausführlicheren Vorbericht mit Einordnung und Interpretation der Zahlen eingefordert. Dies macht den Haushalt nicht nur für uns Ratsmitglieder, sondern auch für die Bürgerinnen und Bürger verständlicher. Diese Transparenz ist nicht zuletzt wichtig, um unser Handeln begreifbar zu machen und einer zunehmenden Politikverdrossenheit entgegenzuwirken.

Auch wir Ratsleute brauchen zukünftig mehr Transparenz, um verantwortungsvolle Entscheidungen treffen zu können.  In den kommenden Jahren wird es wichtig sein, immer wieder genau auf die Zahlen zu schauen, um den Handlungsspielraum nicht zu verlieren. Dazu haben wir eine digitale Haushaltstabelle angefordert mit einem rückwirkenden Vergleich von Plan und Ist-Zahlen. Über eine verstärkte Wirkungsorientierung und die Formulierung von Zielen und Erfolgsindikatoren haben wir als Politik darüber hinaus bessere Möglichkeiten der Steuerung – dies sollten wir alle gemeinsam einfordern.

Ein digitaler, interaktiver und wirkungsorientierter Haushaltsplan kann dazu beitragen, politische Entscheidungen für alle nachvollziehbarer zu machen und ist aus unserer Sicht ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung.

Als GRÜNE stellen wir uns den unbequemen Herausforderungen und der Verantwortung den Haushalt perspektivisch zu konsolidieren – gemeinsam mit dem Bürgermeister, der Verwaltung und den anderen Fraktionen. Zur Haushaltssicherung ist zu sagen, dass sie uns beschränkt, aber auch herausfordert, Ziele anders zu erreichen, als mit zusätzlichen Ausgaben. Lassen Sie uns dies als Chance sehen.

Wir werden diesem Haushalt mehrheitlich zustimmen. Nicht, weil wir mit allen Punkten einverstanden sind, sondern weil wir den Willen haben, Grefrath gemeinsam ökologisch, nachhaltig und sozial zu gestalten und für die Zukunft gut aufzustellen.

Liebe Zuhörerinnen,
Veränderungen erfordern Mut, Kraft und Vertrauen in die eigene Stärke. Dies haben wir zuletzt bei den vielen Demonstrationen für Demokratie auch bei uns in Grefrath gesehen. Das aktuelle Wahlergebnis sollte uns nicht daran hindern, Veränderungen weiterhin anzupacken – nicht um ihrer selbst willen, sondern weil sie notwendig sind. Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur durch Offenheit und Toleranz ein attraktives und lebenswertes Grefrath erhalten lässt!

Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen dankt der Kämmerei, Herrn Middelberg und Herrn Ophoves für die geleistete Arbeit. Unser Dank gilt darüber hinaus den Mitarbeitenden der Verwaltung. Vielen Dank auch an die anderen Fraktionen des Gemeinderates für den nicht immer einmütigen aber doch konstruktiven Austausch.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Maren Rose-Hessler

Es gilt das gesprochene Wort